- Mai 2020
- Von Renate Schuh Eder
- Impulse für Arbeitgeber
Kostenfalle: Recruitingwege in Unternehmen
Wissen Sie, was Sie als Unternehmer, Personalleiter oder auch als Hiring Manger (mit Zuordnung auf Ihre Kostenstelle) die Besetzung einer Position kostet?
Haben Sie schon mal den „Investitionswert“ für eine Einstellung berechnet? Ist Ihnen bewusst, wie viele Mitarbeiter sich in Ihrem Unternehmen mit Einstellungsfragen viele Stunden beschäftigt. Und vor allem: Kennen Sie Ihre Kennzahlen, zu der Nachhaltigkeit dieser Investments? Lassen Sie uns doch mal die ein oder andere konkrete Aktion – anhand einiger möglicher Beispiele – beleuchten:
Typische Abläufe in Unternehmen – Beispiele und die Folgen/Überlegungen dazu:
Thema | Was passiert (oft) ? | Überlegungen |
Ein Vertriebsmitarbeiter kündigt nach 2 Jahren Betriebszugehörigkeit mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen. Der Mitarbeiter wird freigestellt oder hat auch noch Resturlaub. Die entsprechenden Kunden sind jedenfalls bald nicht mehr betreut. | Der direkte Chef hat ein sichtbares Problem und ist natürlich sofort auf „Ersatzbeschaffung“ aus. Nach einem entsprechenden Genehmigungs-verfahren, das meist (zu viel) Zeit in Anspruch nimmt – geht man die üblichen – oft nicht erfolgreichen – Recruitingwege. | Kann es sein, dass die Chance vertan wird, die Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Team neu zu überdenken – und überhaupt auch das Team mit einzubinden? Wird vergessen, dass eine Kündigung auch etwas „mit dem Team“ macht? Nicht selten folgen auch weitere Kündigungen. Werden Abschlussgespräche geführt und Kündigungsgründe aufgearbeitet um bei der nächsten Einstellung nicht wieder in das gleiche Problem zu laufen? |
Die Position wird nun ausgeschrieben! Zu Recht erst einmal auf der Homepage. Dann evtl. auch noch bei einer Stellenbörse mit der man einen „Rahmenvertrag“ hat. Und mehr und mehr gehen Recruiter – vor allem aber auch Hiring Manager selbst mit einer Veröffentlichung im Social Media an den Markt. | Die Ausschreibung entspricht meist nicht dem, was konkret gesucht wird. Stellenprofile ähneln sich. Der USP ist selten erkennbar. Die gewählten Tools oft nicht passend zum gesuchten Profil. Der Überblick ist schwer zu halten, zumal wenn Hiring Manager selbst aktiv werden. Ein „Bewerber-management“ ist kaum mehr gegeben. Im Gegenteil: Es gibt wahnwitzige Geschichten dazu wie durch falsche Kommunikation gute Arbeitgebermarken in Frage gestellt werden. | Wäre es nicht notwendig, die Funktion klar und eindeutig zu definieren und entsprechend – in den richtigen, individuellen Kanälen – auszuschreiben? Zudem einen klaren Zeitplan zu entwickeln und diesen auch einzuhalten? Haben Sie mal den Versuch gemacht, intern 2 – 3 Musterprofile eines Ideals zu besprechen. Es ist doch immer wieder erstaunlich, dass oft von Recuitern mit Halbwissen die komplett falschen Leute kontaktiert werden. (die sogar interessiert sind, denen man dann aber wieder absagen muss) In engen Märkten ist dies definitv schädlich für`s Image. Zudem verzögert es eine erfolgreiche Einstellung. Wessen Verantwortung ist die Formulierung einer Stellenausschreibung und die Auswahl des passenden Recruitingtools. Was befähigt diesen Mitarbeiter dazu? |
Bewerbungen gehen ein | In fast allen Unternehmen ist das Bewerbermanagement immer noch ein großes Thema. Eine (wertschätzende) Rückmeldung an Kandidaten dauert immer noch zu lange. Selbst an die, die man doch eigentlich positiv beurteilt. | Wer kann eigentlich die „Qualität“ eines CVs für die Funktion beurteilen. Wer kann verstehen, dass die Bewerbung vielleicht nicht für diese Funktion passt, aber für die in der Nachbarabteilung? Wieso kann man nicht klar entscheiden auf welchen „Stapel“ die Bewerbung kommt:A Kandidat wird sofort eingeladenB Kandidat wird vertröstetC Kandidat passt nicht auf diese Position, aber generell ein High-Light (Aufnahme in TalentpoolD Kandidat passt jetzt nicht und auch die nächsten 10 Jahre nicht – Standardabsage innerhalb von 5 Tagen |
Personalvermittler, die Profile auf Bedarf senden und am Ende 18 – 27% Vermittlungsgebühr berechnen, melden sich zu Wort | Je länger die Position nicht besetzt ist desto offener ist man für diesen Weg. Leider haben aber Vermittler (es sei denn es gibt enge Beziehungen zum Unternehmen und detailliertes Wissen darüber) keinen Plan worauf sie neben fachlichen Dingen achten müssen. Unabhängig davon stehlen sie (viel) Zeit mit ihren teils doch aggressiven Anrufen. | Wäre es nicht viel lukrativer ein höheres Recruiting-Wissen im Unternehmen zu haben? Wie hoch sind die Kosten, die pro Jahr hierfür bezahlt werden und noch wichtiger: Wie hoch ist die Nachhaltigkeit entsprechender Einstellungen? Kann man wirklich „Top-Einstellungen“ sicherstellen, mit Kandidaten, die „aus der Schublade“ gezogen werden. Wird man durch einen Vermittler mit wenig Unternehmenswissen adäquat in der Kommunikation nach außen vertreten? Würde es nicht Sinn machen „nur“ 2 – 3 (je nach Unternehmensgröße) zuzulassen und hier eindeutige und klare Verträge zu vereinbaren? |
Interviewführung mit eingeladenen Kandidaten | Da sprechen nicht selten 2 Personen mit einem Kandidaten für 2 Stunden um nachher festzustellen, dass man bereits nach 20 Minuten wusste, dass hier keine Lösung zu finden ist. Oder aber es werden 3 lange Gesprächsrunden durchgeführt um beim Vertragsangebot dann festzustellen, dass man nicht zusammenkommen wird. Bewerber werden gefragt was sie nun auszeichnen würde, bei dem Unternehmen anzufangen | Wer kann beurteilen ob ein Kandidat zur Position und zum Unternehmen passt? Wird nicht zu oft nach Fachkompetenz und „Chemie“ eingestellt – Kündigungen erfolgen aber aufgrund von Persönlichkeits – und Motivationsgeschichten. Wieviel (teils unnütze) Zeit wird im Interview – und Entscheidungsprozess vergeudet von Personal- und Fachabteilung sowie (Top-) Management vergeudet. Kann es sein, dass die Rolle eines „Kandidaten“ falsch gesehen wird. Muss es nicht mehr und mehr ein Abklären der Fakten auf Augenhöhe sein? Könnte vieles nicht in einem ersten „kurzen“ Telefonat geklärt werden? |
Referenzen werden eingeholt | Da kennt man jemanden der mit dem Kandidaten schon gearbeitet und fragt mal (abgesehen davon, dass es gar nicht erlaubt ist) „auf dem kleinen Dienstwege“ nach. | Vorsicht: Referenzabfragen sind eine Kunst. Auch wenn man die Referenzen befragt, die der Kandidat selbst nennt. Es gibt Arbeitnehmer, die bei einem Unternehmen wahrhaft rausgeflogen sind und beim nächsten zum „Hero“ werden. |
Das waren jetzt nur mal ein paar Themen, die wir regelmäßig erleben. Wenn nur ein Viertel der oben aufgeführten Beispiele in Ihrem Unternehmen relevant sind, gibt es definitiv Raum für schlagkräftige Optimierungen.
Recruiting in engen Märkten muss zur Chefsache werden. Nicht jede einzelne Einstellung – sehr wohl aber der Prozess dahinter. Das Wissen dazu muss in Unternehmen erhöht werden. Wann ist eine Einstellung nun eigentlich erfolgreich:
In meinen Vorlesungen an der Uni definieren wir das so:
Fachkompetenz
Persönlichkeit
Motivations-Fit (Unternehmenskultur, Karrierevorstellungen, Standort, Gehalt, Karrierevorstellungen, usw.)
und
„Chemie“
sollten im Einklang stehen. Oft wird aber nur aufgrund von Fachkompetenz und „Chemie“ entschieden. Kündigungen erfolgen meist durch Diskrepanzen der anderen genannten Aspekte.
Was also ist konkret zu optimieren – was kann man optimieren?
- Tempo im Prozess, der überhaupt erstmal klar definiert sein muss
- Interne Überlegungen stärker einbeziehen, bevor man überhaupt im Markt auf Suche geht (oft haben sich andere Mitarbeiter gut weiterentwickelt – Ihnen könnte man Chance aufzeigen)
- Richtige Search-Kanäle für die jeweiligen Positionen finden
- Bewerbermanagement auch für Employerbranding und den Aufbau eines eigenen Talentpools nutzen
- Klare Zuständigkeiten im Unternehmen schaffen
- Klare Regeln und Verträge für Externe
- Die eigene Arbeitgeberstory herausarbeiten und „leben“
- Interviewtechnik im Unternehmen „verfügbar“ machen (es sollten auch alle „die gleiche Sprache sprechen“)
- Sensibilität schaffen
- Zeitmanagement im Interviewprozess überdenken
- KPIs definieren und kontrollieren
- Recruitingkosten pro Jahr überdenken und optimieren
Für uns gilt: Unser Hauptgeschäft ist und bleibt die Personalberatung! Das heißt wir unterstützen unsere Kunden mit Festaufträgen bei diffizilen Positionen und das wird für Management- und „systemrelevante, schwierige Spezialistenfunktionen“ trotz Social Media, KI usw. sicher auch in den nächsten Jahren Bestand haben. Wir sind aber auch der Meinung, dass das Wissen in den Unternehmen zum Recruiting erhöht werden muss und bestimmte Funktionen aus den Unternehmen heraus teils effektiver, nachhaltiger und auch kostengünstiger realisiert werden können. Wenn der Prozess dafür definiert ist und alle die damit zu tun haben, die gleiche Sprache sprechen wird dies möglich sein.
Seit gut 2 Jahren unterstützen wir unsere Kunden zusätzlich als PROZESSBERATER und TRAINER für alle Recruitingthemen – ganz individuell auf Ihre konkrete Situation und Zielsetzung abgestimmt. Mehr dazu unter folgendem Link: https://prozessberatung.schuh-eder.com/
Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!
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